Litauen

Anreise via Regensburg – Berlin – Warschau

Vilnius 21. bis 25. Juli

Warschau – Vilnius: Sehr komfortabler Bus, gute Strassen, pünktlich angekommen nach neun Stunden Fahrt.

Mein Appartement buchte ich dieses Mal zum richtigen Termin, ich checkte den mehrmals, doch dann forderte mich am Tag vor der Ankunft Booking.com auf, die Buchung zu stornieren: Hello, the flat you have just booked is fully cut off the water supply system, due to some recent rains. Please cancel your booking due to unforseen circumstances. Thank you. Um die Rückzahlung muss ich mich selber kümmern, und wie zu erwarten geht das gar nicht so einfach. Ich bin gespannt ….
Doch ich fand ein anderes Appartement, zu welchem ich mich zu Fuss auf den Weg machte mit meinen etwa 35 Kilo Gepäck – Koffer mit vier Rädern ist eine fantastische Erfindung! Sehr schwer wiegt der Rucksack, mein Büro mit Laptop.

Vor lauter Schauen, Staunen und Entdecken, verlief ich mich, fand aber mit Hilfe einer netten jungen Dame einen alternativen Weg, der kaum länger war. Die Sache mit den Codes und Lockers habe ich nun wohl im Griff, uff. Sogar die Waschmaschine konnte ich in Gang setzen.

Nach kurzer Verschnaufpause zog es mich auf Entdeckungstour. Ich bog nach meinem Zufahrtssträsschen in die andere Richtung ab als bei der Ankunft, ein paar Schritte zur Querstrasse – ich traute meinen Augen kaum! Die ganze Strasse voller Tische, Stühle und Menschen. Praktisch nur sehr junge, Vilnius ist eine Studentenstadt. Ich fühlte mich wie Altersheim im Ausgang. Zum Glück wählte ich wegen der Hitze das «kleine Schwarze» statt traveller look. Die Menschen sind so gestylt hier! Es war Dienstag und high life.


Ich musste noch Essen einkaufen. Ob die Einwohner hier kochen? Ein einziges, kleines Lebensmittelgeschäft entdeckte ich, zum Glück bloss etwa 500 m vom Appartement. Das Sortiment enttäuschte. Bediente Kasse gab es nicht. Ich wandte mich sofort an die kontrollierende Dame, denn Brötchen, noch zu wiegende Tomaten und Paprika überforderten mich. Die Dame war nett und hilfsbereit, nahm mir aber die Weinflasche weg: Kein Alkoholverkauf nach 20 Uhr! Sehr erstaunt hat mich das nicht mehr, denn dieses Jahr erst erfuhr ich, dass das Trinken von Alkohol im öffentlichen Raum verboten ist in Italien, Polen, …. und eben auch hier. Merkte ich nie, da ich diese Regel ja nicht breche.

Für den zweiten Tag stellte ich keinen Wecker, die vorherige Nacht war kurz, die Reise lang, der Tag heiss – und eine Stunde Zeitverschiebung!

Nach der Wäsche und Büroarbeiten war mein erstes Ziel das Tourist Office, wo ich ja meistens die einzige Besucherin bin. So nahm sich die Dame Zeit und ich haben nun einige Infos und eine Karte zu möglichen Reiserouten im Land.

Da ich den berühmten Turm gleich erblickte, stürmte ich auf den Hügel um die Aussicht zu geniessen. Bei einem Cappuccino plante ich den Nachhauseweg und stellte überraschend fest, dass ich ja einen Bogen lief und gar nicht zurück muss, sondern fast nur ums Eck durch die Prachtstrasse, an der ich gestern Essen kaufte. Perfekt!

Palace of the Grand Dukes
Gediminas Tower
Front des Palace of the Grand Dukes
So schön können autofreie Städte sein! Hier die Gedimino Strasse, gesäumt von Luxus-Shops. Gerade ging eine Gruppe von Hare Krishna-Anhänger*Innen vorbei, singend und trommelnd.
An der Gedimino Strasse, neben dem Novotel und Mc Donalds warten die Blumenverkäuferinnen auf Kundschaft.

Am nächsten Abend, nach der Büroarbeit, machte ich mich auf in die freie Republik Uzupis, vorbei an der Anne’s Kirche.

Ich passierte den Zoll an der Brücke mit einem neidvollen Blick auf die unter der Brücke Schaukelnden und betrat die freie Republik Uzupis.

Aus Wikipedia: Ein großer Teil der ursprünglichen Bevölkerung kam während des Holocausts um, der jüdische Friedhof wurde von den Sowjets zerstört. Die leerstehenden Häuser wurden von Kriminellen, Obdachlosen und Prostituierten besetzt. Vor der litauischen Unabhängigkeitserklärung 1990 war der Stadtteil einer der vernachlässigsten der Stadt, viele Häuser hatten weder Strom noch sanitäre Anlagen. In den 1990er Jahren hat sich der Stadtteil grundlegend geändert. Aus dem Viertel ist ein begehrtes Wohnquartier für die städtischen Künstler und ihre Bohème geworden. Hier gibt es zahlreiche Kunstgalerien, Workshops und Cafés. Mitunter wird Užupis mit dem Künstlerviertel Montmartre in Paris verglichen, mit dem auch eine Partnerschaft besteht.

Bevor ich weiterreiste machte ich einen Ausflug nach Trakai, 30 Min. per Bus ab Busbahnhof, fährt mind. einmal pro Stunde, € 2.-/2.20 pro Weg.
Zum ÖV: Soweit ich das beobachte, verfügen viele Orte, oder gar jeder über einen Busbahnhof. Es fahren Busse jeder Grösse. Zuglinien gibt es auch, diese nutzte ich noch nicht.

In Trakai sprach ich sofort ein Pärchen an, das mit im Bus reiste, die einzigen Touris weit und breit. Ich durfte mich ihnen anschliessen zum Inselschloss. Dieses liegt auf einer von mehreren Inseln in einer wunderschönen Landschaft.

Entlang der Strasse stehen viele alte Holzhäuser.

Kaunas (Europäische Kulturhauptstadt 2022) 25.-31.7.

Von Vilnius nach Kaunas sind es ca. 100 km, eine gute Stunde mit dem Bus für € 7.-.

Bereits beim Einfahren in die Stadt beeindruckten moderne Gebäude, grosszügig angelegte Strassen und Plätze. Die Innenstadt ist auch hier autofrei, die Fussgängerzone über drei Kilometer lang. Der prachtvolle Boulevard wird gesäumt von edlen, Shops, Villen, Restaurants, Bars. In der Mitte eine Allee mit Spazierweg und Sitzbänken, beidseitig breite Velo- und E-Scooter-Spuren. Am Anfang des Boulevards steht die St. Michaels Kirche auf einem grossen Platz, umrandet von Restaurants.

Mein erstes Ziel war die auf einem Hügel gelegene Christ’s Resurrection Basilica. Leider machte die kurze Seilbahn Pause. Ein Trampelweg führte mich bloss vor ein geschlossenes Gartentor mit viel Müll davor. Ein «geheimer» Treffpunkt? Ich war froh, in den Sandalen den steilen, rutschigen Sandweg wieder herunterzukommen.
Der offizielle Weg führt über viele Stufen. Erst war ich enttäuscht, wo ist das Panorama? Da kam mir die Idee des Kirchturms. Tatsächlich befindet sich auf der Kirche eine riesige Aussichtsterrasse, erreichbar zu Fuss (2.-) oder mit dem Lift (2.50).

Zurück in der Stadt schaute ich plötzlich auf einen grossen Platz mit begehbarem Brunnen, vielen Skatern, da die Blumenrabatten mit «Beton-Rampen» umrahmt sind. Ich setzte mich gleich oben auf die Terrasse einer Bar und genoss das fröhliche Treiben.

Danach war ich gestärkt um einen Blick auf die Arena zu werfen, die auf einer vorgelagerten Insel liegt.

Die Arena besticht durch die riesige, digitale Werbefläche über die ganze Länge oben links. Sie sticht von jedem Aussichtspunkt der Stadt ins Auge. Beim Fotografieren erwischte ich wohl gerade einen Wechsel.

Am Sonntag flanierte ich auf der fast menschenleeren, ca. drei Kilometer langen Fussgängerzone, bei etwa 30°C zum Rathaus.

Ein riesiger Platz ums Rathaus, viele Restaurants und natürlich eine Kirche. Ich nahm gleich am Gottesdienst teil. Der Chor sang wunderschön. Es nahmen einige Familien mit Kindern teil. Fast jeder ging zur Kommunion und legte eine Euro-Note in den Opferstock.

Die Menschen hier sind sehr religiös, bekreuzigen sich oft beim Vorbeigehen an Kirchen. In der Altstadt von Vilnius soll es 50 Kirchen geben, in der gesamten Stadt 150.

Ich warf noch einen Blick auf das Schloss, welches ein Museum beherbergt.

Auf dem Rückweg bewunderte ich street art – 43 Werke sind auf dem Stadtplan eingezeichnet.

Im historischen Präsidentenpalast der Republik Litauen lebten und arbeiteten die drei Präsidenten von 1919 bis 1939, als Kaunas die Hauptstadt Litauens war.

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Die Vytautas-Magnus-Brücke wird auch «die längste Brücke der Welt» genannt. Um von der einen Seite zur nächsten zu gelangen, musste man 13 Tage einplanen. Denn auf der einen Seite lag das russische Zarenreich, auf der anderen das Königreich Preussen. Die beiden Länder benutzten 1807 unterschiedliche Kalender.
Jenseits der Brücke ist die Seilbahn zu erkennen, die zum Aussichtspunkt fährt.

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Der Rathausplatz am Freitagabend, der DJ legt schon auf (unten Mitte im Bild).

Palanga und Klaipeda 31. Juli bis 8. August

Endlich Meer!

Am Strand von Palanga
Seebrücke von Palanga. Gebaut von den Engländern 1566–1632 zum Export von Ziegelsteinen. Ab 1892 nur noch Fußgängerzone.

Sonntagsausflug nach Klaipeda. Endlich kühler, 21°C und Nieselregen! Da passte mir das nette Café mit feinstem Cappuccino und Schokokuchen perfekt. Ich setzte mich auf die bequemen, bunten Kissen auf dem breiten Sims und beobachtete das Treiben aus dem Fenster. Etwas Spannenderes konnte ich in dieser Stadt nicht finden. Bekannt sind die Fachwerkhäuser, erbaut von Deutschen. Eine nette Strasse mit Theater am Ende, Restaurants und OpenAir Bühne.

Eine Gasse in der Altstadt
Entlang der Dané

Am Ende der Dané blickte ich rüber auf die kurische Nehrung, die Fähre für Fussgänger und Radfahrer war nicht in Sicht. Ob ich den Sprung rüber noch machen werde?
52 km der Landzunge gehören zu Litauen, 46 km zu Russland. Letztes Jahr näherte ich mich auf der Nehrung auf der polnischen Seite bis zu vier Kilometer an Russland, doch dieses Kalingrad bleibt wohl unerreichbar!
Bei Nidden/Neringa gibt es eine Sanddüne, die mit 44 Metern Höhe zu den höchsten Europas zählt.

Die Nehrung muss warten, Riga ruft! Doch vor der Weiterreise geniesse ich noch traumhaft schöne Abende am endlosen Beach bei Palanga.

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Bis zum Strand sind es ca. 1.4 km. Der direkte Weg führt durch die unglaubliche Touristen-Restaurants-Chilbi-Konzert-Meile – wie im Europa-Park oder Disney-World. Immerhin kurzweilig! Dann mit den Füssen im Wasser den Strand entlang gehen, mal auf eine Bank liegen bei einer Umkleidebox und in den Himmel schauen. Auf dem Rückweg bei einer Bar auf einem Sitzkissen chillen und als Abschluss auf der Bank sitzen mit Blick aufs Meer, das Pier und dem Konzert des Pianisten lauschen. Traumstunden, Balsam für Körper und Geist!

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Zur Abwechslung folgte eines Abends auf Strandspaziergang und Meersicht vom Sitzsack in einer Strand-Bar (bei Cappuccino-Wetter) der Rückweg durch den hinter der Düne liegenden Park. Er schien mir unendlich gross, auf den gepflasterten wie Naturwegen kann man sich verirren. Irgendetwas zog immer meine Aufmerksamkeit auf sich. Mal entdeckte ich Hängematten an den Fichten, dann eine Treppe auf die höchste Düne von Palanga. Auf dieser steht eine Kapelle. Ich stieg eine andere Treppe runter und kam an der Grotte mit Maria von Lourdes vorbei bevor aus dem Wald ein Prunkbau mit wundervollem Garten und Brunnen auftauchte: Das Bernstein-Museum.

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Tourismus in Palanga
In der Hochsaison halten sich tausende Touristen im 18’000 Einwohner zählenden Ort auf. Der Strand ist unverbaut, im Ort gibt es 30 kleine Hotels. Die meisten Besucher wohnen in kleinen, einfachen Privathäusern. So auch ich:

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Weiterreise nach Lettland

Allgemeines zu Litauen

Vieles erinnert mich an Polen. Es ist absolut sauber auf Strassen und Wegen. In Kaunas sah ich nach Mitternacht die Putz-E-Autos fahren, morgens früh die Leute mit «Staubsaugern», und mal nach einem Nachtregen die Equipe mit Schaufel, Besen und Kübel, welche jedes Blättchen unter jeder Bank hervorwischte.
Nie sehe ich Polizei.
Es ist immer ruhig, die Menschen werden nicht laut, die Kinder schreien nicht. Mir fallen die vielen Kleinkinder auf, herzlich umsorgt von den Eltern, vor allem auch von den Vätern.
Natürlich ist das Handy auch hier omnipräsent, doch Menschen mit Stöpseln in den Ohren sieht man kaum.
Die meisten Litauer sprechen gut Englisch, sind nett und hilfsbereit.
Noch keine Graffiti gesehen, kaum einen Bettler, keine Obdachlosen.
Die beiden bisher besuchten Städte, die grössten des Landes, sind sehr modern, grosszügig angelegt – und ruhig. Die Innenstädte sind autofrei. Viele Leute sind mit Velos, E-Scootern und wenige mit Skates unterwegs.
Die Städte und Dörfer scheinen gut mit Bussen erreichbar zu sein. Es gibt auch ein Bahnnetz.
Litauen mit dem höchsten pro Kopf Verbrauch an reinem Alkohol hat seit dem 1.1.2018 das strengste Alkoholgesetz der EU. Verkauf nur an über 20-Jährige, werktags von 10-20 Uhr, sonntags nur bis 15 Uhr. Das Konsumieren ist im öffentlichen Raum und in der ÖV verboten, ebenso zu rauchen.
Durchschnittseinkommen 2018: € 1’000.-, andere Quelle € 1’400.
Zwei Anekdoten: 1) Als mir der Wind im Strassen-Café die Serviette auf den Boden wehte erhob sich der Herr am Nebentisch sofort, hob sie auf, erklärte mir etwas, ging mit der Serviette zum Kehrichtkübel und entsorgte sie. 2) Als ich auf einem Bänken in der Fussgängerzone vom Buch aufblickte, entdeckte ich auf der Bank schräg gegenüber ein Etui, das nach Handy aussah. In der Schweiz hätte ich nachgeschaut und es auf den Polizeiposten gebracht. Hier entschied ich mich zum Beobachten, was passiert. Es dauerte nicht lange, setzte sich eine junge Frau auf die Bank. Sie tippte auf ihrem Handy, nahm mal das liegengelassene in die Hand, zog eine Kreditkarte oder ID aus der Hülle, tippte auf ihrem Handy. Es dauerte ca. zehn Minuten, da kam ein mittelalterlicher Herr und nahm sein liegengelassenes Handy glücklich entgegen.