Estland

Estland 16.-27. August

Tallinn 16.-20.8.

Tallin begeisterte mich nicht sofort. Wird reisen zum Alltag? Städte vergleichbar?
Das Hotel ist jedoch ein Erlebnis. Wie ein altes Schloss mit einem Labyrinth von Gängen und Treppen, engen und breiten. Ich bin jedes Mal froh, wenn ich mein Zimmer finde. Mal von der einen, mal von der anderen Seite.
Leider regnet es immer mal wieder. Am Montag in Strömen, ich kam völlig durchnässt ins Hotel. Auf dem Marktplatz liess ich mich von einer Show aufhalten. Offenbar ging es um die Wahl des schönsten Kleides aus/mit Blumen. Die Models, Musiker, Sänger und Tänzer liessen sich vom Regen überhaupt nicht irritieren – bewundernswert.
Jeweils über Mittag und abends streife ich durch die Altstadt. Am dritten Tag hat mich die Stadt in ihren Bann gezogen – trotz Wind und Regen.

Die Burg mit Museum
Die Stadttore. Die Stadtmauer ist gut erhalten und wird von vielen Türmen ergänzt.
Sankt Nikolai Kirche mit Niguliste-Museum – eine Stadt voller Museen!!
Auf dem Domhügel
Am Domhügel
Die russisch-orthodoxe Alexander Newksy Kathedrale
Der Dom von Tallinn
Der Marktplatz mit dem Rathaus
Beim Mittagsspaziergang – eine Halluzination? Scharen von Leuten! Touristen!! Ein grosses Kreuzfahrtschiff hat angelegt. Die Stadt wurde überrannt. Tourismus wie in früheren Zeiten.
In dieser Stadt sehe ich erstmals seit Monaten Touristen. Bereits im Bus sassen um mich herum Reisende aus Japan, Usbekistan, Dänemark, Deutschland, … In der Stadt höre ich oft englisch, deutsch, französisch – völlig ungewohnt!
Die Katariinen-Passage neben dem gleichnamigen Kloster
Der Freiheitsplatz

Am letzten Tag besuchte ich noch die «must Seen». So die antike Apotheke am Rathausplatz. Über Mittag war sie geschlossen, so konnte ich durch die Scheibe der Türe ein Foto machen ohne die sonst dutzenden von Besuchern.

Antike Apotheke in Tallinn, am Rathausplatz

Das Schloss Katharinenpark mit Garten in einem riesigen Park ist ein Besuch wert.
Erbaut wurde es von Peter dem Großen für Katharina I. https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Katharinenta

Schloss Katharinental

Roadtrip 20.-26.8.

Gemäss Tourist Office sind mit ÖV bloss die Städte gut erreichbar. In Nationalparks fährt evtl. ein Bus pro Tag. Ich überlegte ein Auto zu mieten. Erst wollte ich dies später im Süden tun, weil ich ja von dort zurückreisen muss. Doch in den Orten im Norden und Osten, die ich gerne besuchen wollte, fand ich auf Booking.com keine Unterkünfte. Meist sind es Campingplätze, die Häuschen anbieten. Doch mit ÖV sind sie nicht erreichbar. Also mietete ich doch in Tallinn ein Auto. Das 4er Tram fährt vom Zentrum, bei den beiden Stadttürmen, direkt vor die Büros der Autovermietungen am Airport, in nur ca. 20 Minuten. So kam ich nach der Online-Buchung easy zu einem individuellen Fortbewegungsmittel.

Bis zu meinem ersten Halt fuhr ich fast 200km. Den ersten Teil auf einer Strasse, die etwa wie unsere Autobahn aussieht und Tempo 110 erlaubt. Doch Achtung! Statt Ausfahrten gibt es oft U-Turns. Plötzlich also eine stehende Kolonne auf der Überholspur oder Autos, die vom breiten Mittelstreifen über diese einschwenken. Auf der rechten Seite gibt es Bushaltestellen. Also auch Fussgänger und vereinzelt Velofahrer. Tankstellen können direkt an der Fahrbahn stehen mit kurzer Einfahrt. Ich musste mich daran gewöhnen vorsichtiger zu sein als bei uns. Ein weiteres Augenmerk gilt dem möglichen Queren der Strasse von Elchen. Noch sichtete ich keinen.
Nach einigen Umwegen (auch wegen Baustelle!) fand ich endlich das Zentrum von Sillamäe. Thanks to Carmen, the wonderful woman I got to know in Tallinn.

Nach nur 25 Kilometern traf ich in Narva ein. Ein Zentrum fand ich erst nicht, doch der Blick auf eine Festung faszinierte mich.

Russische Festung jenseits des Grenzflusses

Da wollte ich hin und parkte auf dem grossen Parkplatz vor dem russischen Zoll und Tourist Office, wo ich mich gleich erkundigte, wie ich zur Festung gelange. Erstaunt meint die Dame, dass diese in Russland liegt, ich aber ohne Visum nicht einreisen könne. Zudem gäbe es für die Einreise strenge Regeln aufgrund von Corona. Ich hörte bereits, dass die russische Grenze geschlossen sei und daher viele Hotels im Baltikum, weil die russischen Touristen ausbleiben.

Der russische Zoll in Narva

Rechts sah ich jedoch Leute gehen. Ich folgte ihnen und betrat das Areal der Festung auf estnischer Seite. Der Fluss trennt die Länder und die Festungen.

Den Weg zurück auf die Hauptstrasse fand ich nicht auf Anhieb, dafür eine russisch-orthodoxe Kirche.

Um mein nächstes Ziel, den Peipussee zu erreichen, musste ich ein Stück zurückfahren. Um Sillamäe kannte ich mich ja schon aus und entschied mich zum Glück zu einem Einkaufs-Stopp. Ich war mittlerweile hungrig, hatte auch kein Wasser dabei. Auf dem ganzen Weg entdeckte ich weder einen Supermarkt noch ein Restaurant. Ich ahnte es …. Estland hat 3.1 Mio. Einwohner, wobei 450’000 in Tallinn wohnen. Grössere Orte sind wohl selten.
Ich peilte Kuremäe an, das mir der Herr im Tourist Office auf der Karte markierte. Ich erwartete ein Städtchen, sah mich schon im Hotel an der Piazza einchecken. Wobei: Die Dame im Tourist Office in Narva reagierte ziemlich erstaunt auf meine Frage nach Hotels. Sie meinte: Pensionen, Guest Houses oder Campings? Und so bog ich in Kuremäe ein, erblickte sofort eine wunderbare Kirche, doch ausser drei, vier neueren Wohnblocks und vereinzelt alten Häuschen war da nichts zu sehen von Ortschaft. Glücklicherweise übersah ich das Hostel beim Kloster nicht und erhielt nach einigen Telefonaten der Gastgeberin doch noch ein Kämmerchen unter dem Dach. Offenbar sagte jemand ab, es war bereits nach 19 Uhr, das Restaurant geschlossen. Zum Glück hatte ich Essen dabei und Plastik-Geschirr.

Doch die Neugierde siegte über den Hunger und führte mich zum nahen Kloster und dessen Friedhof.

Erst nach dem Besuch las ich über das einzige russisch-orthodoxe Kloster in Estland: https://www.visitestonia.com/de/das-nonnenkloster-von-kuremae
Im Vorraum lagen auch hier Kopftücher zum Ausleihen bereit. Ich betrat die Kirche und war inmitten einer Messe. Noch immer bin ich vom Weihrauch benebelt und von dieser magischen Atmosphäre berührt. Wahrscheinlich sprachen die beiden Priester Fürbitten. Nach jeder bekreuzigten sich alle, beugten sich tief oder knieten sogar nieder und legten das Gesicht auf den Boden. Dazu sang jeweils der Chor einiger Nonnen wunderschön. Statt der Kommunion empfingen alle vom Pfarrer ein Kreuz auf die Stirn, gezeichnet von einem Stab. Darauf küssten die Gesegneten den Arm des Pfarrers.

2. Tag

Heute wollte ich diesen Peipsimaa-See sehen. Er ist der fünftgrößte See Europas und siebenmal so groß wie der Bodensee. Durch ihn verläuft die estnisch-russische Grenze. Sandstrände gibt es bloss im Norden, bei Kauksi. Bevor ich den Strand fand, hielt ich auf dem «Dorfplatz». Ein Supermarkt in einem alten, tristen Gebäude und ein Imbissstand. Ich machte einen Spaziergang Richtung Kirche, kam an schöneren und weniger schönen Häuschen vorbei und fand bei der Bushaltestelle die Briefkästen der Einwohner.

Noch etwas weiter entlang der Strasse gelangte ich zu einer russisch-orthodoxen Kirche, die ich natürlich besichtigte. Kurz davor sah ich einen Wegweiser zu einem Parkplatz, wo ich später hinfuhr. Eine riesige Wiese vor einer Bühne, Tischgarnituren auf dem Festplatz. Kein Mensch da, kein Auto. Ich nahm einen Trampelpfad durch den Wald, über die Düne – und stand am Strand. Einsam und verlassen!

In der Nähe gelangte ich an den Beach mit Infrastruktur. Neu, nett, aber kein Ort zum Bleiben. Es gibt hier nicht Dörfer, wie wir sie uns vorstellen. Die Häuser, meist aus Holz, stehen verstreut im Wald oder auf Lichtungen. Es gibt auch Ferienzentren mit mehreren gleichen Häuschen. Andere Unterkünfte sah ich keine.
Auch Restaurants nicht. Doch immer wieder mal einen Stand mit Grill, Tisch und Stühlen. Diese scheinen beliebt und gut besucht an diesem Samstag. Nach dem Mittag kam ich an einem vorbei mit riesigem Menschenauflauf. Da ich einen Parkplatz in der Nähe fand, stoppte ich um mir das anzuschauen.

Auf dem Grill brutzelten ganze Fischchen und Filets, am Buffet waren Snacks und Süssigkeiten angeboten, aber auch Kleider. Ein Harmonikaspieler unterhielt die Gäste. Wie auf der Chilbi!

So wie ich die Lage einschätzte, musste ich im nächsten grösseren Ort, in Mustvee, eine Unterkunft finden. Das Hotel war ausgebucht, doch sie riefen für mich in einem Hostel an, das nicht auf Booking.com ist. Dort checkte ich ein und erkundigte den sehr übersichtlichen Ort. Auf dem Weg zum See kam ich bei der russisch-orthodoxen Kirche vorbei, wo gerade die Messe begann. Ich war wiederum hingerissen vom Gesang der Frauen und blieb eine Weile. Es waren nur vier Besucherinnen da.

Bei der Hafeneinfahrt verweilte ich länger, las und bewunderte einen doppelten Regenbogen.
Im Hafen gab es ein Café, davor wurde in einem Samowar mit Holz Tee zum Kochen gebracht und verkauft.
Auf dem Rückweg balancierte ich über eine Hängebrücke und genoss das Abendlicht, das alles in wundervolle Farben tauchte.

Sonntag

Nach Mustvee machte ich einen ersten Halt in Tartu. Die Stadt war an diesem Sonntagvormittag noch menschenleer. Ein netter Ort. Hinter dem Rathaus erklomm ich den Hügel mit Park, Kirchenruine, einer Engelsbrücke, dem Schiesspulverlager, usw. Auf dem Rathausplatz steht tatsächlich ein schiefes Haus.

Rathaus von Tartu
Schiefes Haus in Tartu

Auf der Weiterfahrt kam ich an einem grösseren See vorbei und bog in einen Campingplatz ein. Der perfekte Ort für mein Picknick.

Neben mir standen drei traumhaft schöne Holzhäuser mit Veranda. Ich ging zur anderen Seite, wo ich den Hauptplatz vermutete und auf einen Kaffee hoffte. Der Platzmeister nahm mich gleich in Empfang und fragte, was ich wolle. Gäste hätte er selten. Kaffee konnte er mir nicht anbieten, bloss Alkoholisches. Nach einem netten Gespräch verabschiedete ich mich von diesem herrlichen Platz und peilte Viljandi an. Die Altstadt mit Burgruine und Blick auf den Fluss ist nett, doch ich wollte noch zeitig in den Nationalpark gelangen. Ich fuhr mit 80 km/h, sah mir das Strassenschild genau an und interpretierte, dass der nächste Abschnitt keine Markierungen mehr haben wird – doch da war’s Ende mit Teer und riesige Schlaglöcher liessen mich abrupt abbremsen. Auf dieser Strasse fuhr ich dann ca. 50 Kilometer weit. Manche Löcher waren wohl einen halben Meter tief, die meisten mit Wasser gefüllt. Ich fürchtete mich davor, in einem stecken zu bleiben oder die Achse zu brechen in dieser einsamen Gegend. So fuhr ich vorsichtig, doch es war anstrengend. Nach gut der Hälfte der Strecke erreichte ich das Visitor Center, bei welchem ich zu einem kurzen Hike starten wollte. Ein 1.8km langer Rundgang, der Biber Hike bot sich an. Es war auch schon 17 Uhr und kein Mensch mehr weit und breit. Umso näher fühlte ich mich der Natur, genoss die Stille, den anfangs weichen Boden und später den Pfad auf Holz, die Einsamkeit.

Einzigartig an diesem Nationalpark ist, dass er jeweils nach der Schneeschmelze überflutet ist und einzig per Kanu erreichbar.
Auf der Weiterfahrt nach Pärnu, am Meer, genoss ich wundervolle Stimmungen im Abendlicht und schaffte es nach dem Einchecken und Znacht gerade noch zum Sonnenuntergang ans Meer.

Am nächsten Morgen schaute ich mir die Altstadt an. Nett, mit Fussgängerzone, schönen Holzhäusern, Kirche, auch eine russisch-orthodoxe Kirche, das Rathaus, Stadttor, Parks, … Und das erste Mal ein Kaffee mit Süssem am Vormittag, in der Sonne!

Ich ging zurück zum Fluss, dem ich bis ans Meer folgte. Unglaublich schöne, unberührte Landschaft. Ist ein Öko-Projekt der Stadt.

Der Steg endet bei der Einmündung des Flusses, wo eine Steinmole weit hinaus ins Meer führt. Gereizt hat es mich schon, doch ich hatte heute noch viel vor. So ging ich am fast menschenleeren Strand zurück bis zum Kurhaus, in dessen Nähe mein Auto stand.

In der Stadt ging ich noch Verpflegung einkaufen und tanken. Man weiss ja nie … Auf Anhieb fand ich die richtige Strasse zu meinem nächsten Ziel.
Eine wunderbare Fahrt parallel zum Meer, durch Wälder, vorbei an Kirchen aus Stein, Holz, eine orthodoxe russische, Holzhäuschen in allen Farben, einem Leuchtturm – es erinnert mich sehr an Schweden. Ein Schild zu einem Aussichtpunkt liess mich abbiegen. Ich war hungrig und hoffte auf ein Bänkchen zum Picknicken. Nach drei Kilometern wieder ein Pfeil. Ich hielt am Wegesrand und ging ein paar Schritte durch ein Wäldchen. Da stand ein Holzturm. Kein Bänkchen. Auch oben nicht. Also setzte ich mich auf den Boden, legte alle meine Köstlichkeiten aus (seit Wochen die gleichen), lehnte mich zurück und schaute in die Ferne. Da überkam mich dieses Gefühl, das ich erst selten erlebte. Ein Zustand, in dem ich nicht mehr sicher weiss ob ich bin, träume, oder in eine andere Sphäre gleitete. Total surreal, sie absolute Stille und Einsamkeit.

Auf der weiteren Fahrt hielt ich mehrmals an wunderschönen Orten und Stränden.

Und dann stand ich plötzlich an der Zahlstelle für die Fähre nach Saaremaa. Auch sehr eindrücklich. Noch nicht oft fuhr ich mit dem Auto auf ein Schiff. Ich ging gleich auf die Decks, nach draussen, durchs Restaurant, setzte mich mal kurz auf einen Sessel – die 35 Minuten Überfahrt vergingen viel zu schnell.

Mein Ziel war die grössere Stadt am Meer, Kuressaare. Ob das schlau war bzgl. Insel-Rundfahrt und Erkundung? Aber endlich und erstmals ein Hotelzimmer mit Meerblick und später auf den fast vollen Mond.

Störung der Nachtruhe
Klopfte es tatsächlich an meiner Hoteltüre, kurz vor zwei Uhr in der Nacht? Ja, wieder und lauter. Was tut frau in so einer Situation? Es klopfte wieder. Ich sollte nachschauen, obwohl ja nicht gerade das Haus in Flammen stehen wird. Ich linste durch den Spion. Ein junger, Vertrauen erweckender Mann stand vor der Türe. Ich öffnete. Er hatte einen Zettel in der Hand und fragte, ob ich englisch spreche und das Auto mit der Nr …. meines sei. Ja. Das Licht brenne. Ja, ich sah es, konnte es jedoch nicht ausschalten. Auf dem Display stand «Parking light on». Ich dachte, das brannte vielleicht schon immer, bloss fiel es mir nicht auf. Ich ging zurück ins Zimmer. Es dauerte nicht lange, bis es wieder klopfte. Ich ging gleich mit dem Autoschlüssel zur Türe. Der Mann nahm ihn lächelnd entgegen und verschwand. Was, wenn er nicht mehr zurückkommt, mein Auto weg ist, mein Gepäck? Nach kurzem klopfte es wieder. Strahlend liess mich der junge Herr wissen, dass er das Licht ausschalten konnte. Ich habe wohl unbeabsichtigt einen Schalthebel verstellt. Nun hoffe ich, dass das Auto noch draussen steht, sich starten lässt und mein Gepäck noch vollständig vorhanden ist.

Insel-Tour

Die Hauptsehenswürdigkeit dieser Insel ist die Burg von Kuressaare. Diese liegt einige Schritte von meinem Hotel und Auto, das natürlich noch dastand und sofort startete.

Ich fuhr Richtung Westen und dann hoch in den Norden. Erst verpasste ich die Sanddünen, landete so jedoch bei einem Kriegsdenkmal mit Friedhof aus dem 2. Weltkrieg. Auf der südlichen Halbinsel erinnert vieles an jene Zeit, es gibt auch ein Museum zum Thema.
Die Sanddünen bei Järve beeindruckten mich weniger, doch der Weg dorthin war ein Spaziergang wie im Märchen, durch eine unbewohnte Ferienanlage im Wald, der Boden Moos bedeckt und samtweich. Zu den Wohnungen im Haupthaus gab es nahe am Strand ein fassförmiges Haus mit Hot Pot. In einem Pavillon standen Liegestühle bereit, der Privatstrand mit Tisch und Bänken war nur wenige Schritte entfernt. Natur und Einsamkeit pur.

Jeder Abstecher führte zu Steinstrassen mit Schlaglöchern. Die Namen verstand ich nicht. Park ist wohl eher eine Wohnadresse, kein Park. Jedenfalls stand ich zweimal vor Villen, die eine mit Pool, umgeben von Fussballfeldern grossen Rasenflächen. Von Sehenswürdigkeit keine Spur, oder ich übersah die Abzweigung vor lauter Schlaglöcher-Slalomfahrt. Doch beim einen Versuch kam ich zu zwei Seelein. Fast ein Gefühl wie am Vortag. Stille, Naturschönheit, Einsamkeit.

Viele Kilometer später eine bemalte Tafel mit einer Tasse – die erste Verpflegungsmöglichkeit! Um zig Ecken in einem kleinen Ort fand ich das Holzhäuschen, in dessen Garten und Wohnzimmer die Besitzerin Kaffee und Tee anbot sowie einige Kleider und Keramik. Ein Ort wie von einer anderen Welt. Der Garten war zwar wunderschön, doch zog mich das Cheminée an, neben dem eine ältere Dame sass, von der ich viel Interessantes erfuhr.

Ich verweilte ein bisschen, kam mit deutschen Touristen ins Gespräch. Hätte noch lange bleiben können, doch die Zeit schritt voran.
Auf dem Weg zu den beiden bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Insel bog ich mehrmals zum Meer ab. Einfach traumhaft. Das eine mal fuhr ich auf einer Sanddüne und überlegte was ich täte, würde ich feststecken. Von Dubai weiss ich, dass Luft aus den Pneus lassen hilft. Doch wie geht das? Zum Glück musste ich es nicht versuchen. Bei Leisi fuhr ich zum Hafen Triigi und beinahe auf die Fähre zur Nachbarinsel. Ich überlegte es mir lange, wäre eine attraktive Alternative, wobei ich dann nochmals auf eine Fähre müsste zum Festland. Ich wendete.
Die Steilküste bei Panga und die Windmühlen von Angla enttäuschten mich eher.

Kurz vor den Mühlen, in Leisi, erblickte ich heute zum ersten Mal ein Guest House und reservierte gleich ein Zimmer. Ich checkte im ersten Stock ein und hatte Haus und Terrasse für mich allein. 19 Uhr, und ich hatte seit dem Frühstück nichts gegessen, ausser einigen Biskuits. Ich deckte die Tafel mit meinen immer gleichen «Köstlichkeiten». In der totalen Stille mit Blick auf die umliegenden Holzhäuser ass ich Znacht und genoss den Moment.
Diesen Bericht schrieb ich im Aufenthaltsraum des Guest Houses Willa Inga.

Am nächsten Tag regnete es, so richtig trist. Ich hielt noch einige Male am Meer. Auch diese Stimmung hat ihre Schönheit.

Ich nahm die Fähre aufs Festland und machte einen letzten Halt in Haapsalu. Da entdeckte ich tatsächlich ein Kaffee!

Ich schaute mir noch die Bischofsburg an.

Eigentlich wollte ich im letzten grösseren Ort vor Tallinn übernachten, 25 Kilometer vor der Stadt, das Auto am Morgen zurückbringen und die 12-Uhr-Fähre nach Helsinki nehmen. Doch in diesem Ort gab es zum Glück keine Unterkunft, denn dass ich später den Airport ohne grössere Umwege wieder fand, war fast ein Wunder. Noch einmal wegfahren wollte ich nicht. Nach langen, langen Gesprächen wurde klar, dass Finnland eine Quarantäne von drei Tagen verlangt, danach kann man sich frei testen. Das wollte ich nicht. Also buchte ich letzte zwei Nächte wieder im Hotel St. Olav in der Altstadt. Das ist ein ganz spezielles Haus, fast wie ein Schloss, ein Labyrinth von Gängen, überall alte Bilder, die Aufenthaltsräume wie Rittersäle und das Frühstück im Ballsaal.

Der Covid Antigen-Test war negativ, ich buchte gleich den Bus und fahre morgen nach Warschau – 19 Stunden Busfahrt. Das erspart mir einen weiteren Test.
Ab heute herrscht in Tallinn Maskenpflicht in Innenräumen und Zertifikat in Restaurants. Zeit zum Abreisen.

Ich startete am Freitag um 13 Uhr, kam um 6 Uhr in Warschau an. Nach einem Kaffee und Wechsel des Bahnhofs, fuhr ich in eineinhalb Stunden nach Lodz. Hier wohne ich wie eine Prinzessin im rose room des Hostelik Wiktorianski, mit eigenem Eingang und Sitzplatz.

Lodz erklärt seine Fussgängerzone als die längste Europas. War es nicht jene in Vilnius? Ganz autofrei ist sie nicht, Taxis fahren, Zubringer und immer wieder donnern Motorräder durch. Dennoch ein schöner Ort, gesäumt von Restaurants und wundervollen Gebäuden.

Auch in dieser Stadt viel Street Art.
Rosa’s Passage, die Mauern eines früheren Hotels wurden von der Künstlerin Joanna Rajkowska mit Spiegel-Mosaiken verkleidet.

Strassenkünstler und Musiker unterhalten die Passanten, viele Skulpturen zieren Trottoirs und Plätze.

Nächster Halt in Posen, wo es mir letztes Jahr so gut gefiel. Dann geht’s nach Deutschland, wo ich meine Freundin treffen werde zur nächsten Reise. Idee: Berlin – Rügen – Hamburg – ostfriesische Inseln – Dänemark. Mal schauen ……

In Lodz erfuhr ich seit langem mal wieder, dass ich offenbar doch etwas Adrenalin besitze. Ansonsten lässt mich das Alter tatsächlich gelassener werden. Gemütlich schlenderte ich zum Hauptbahnhof, ein futuristisch modernes, neues und fast menschenleeres Gebäude. Schalter eins schickte mich zu 7. Dort Achselzücken: Keine Züge ab hier nach Posen. Nächste Info: soll Bus nehmen, dann muss ich nicht umsteigen. Bus-Station gefunden im Bahnhof. Riesig, neu, keine Info, kein Ticketschalter, aber gemäss digitaler Infotafel soll es in ca. zwei Stunden einen Bus nach Posen geben. Also mache ich es mir gemütlich und arbeite am Laptop. WiFi? Fehlanzeige. Bloss zur Sicherheit ging ich fragen, was das rot Geschriebene bei meinem Bus heisse. Kein Bus heute. Dann halt Bahn. Doch diese fährt von einem anderen Bahnhof, Lodz Kaliska. Dorthin mit Tram 12. Ich hetzte und schaffte es gerade noch. Sonst hätte ich drei Stunden warten müssen. Für die Strecke von 251 km brauchte die Bahn über vier Stunden, 44 Stopps. Für knappe Fr. 7.-!

In Posen kenne ich mich ja aus. Relativ schnell fand ich mein Hostel direkt im Zentrum. Doch leider funktionieren alle drei WiFis nicht wirklich. So sitze ich in Restaurants und arbeite.
Letztlich blieb ich vier Nächte. Den letzten Nachmittag vor der Weiterreise musste ich ins Testen investieren: Eine Stunde Fahrt mit ÖV zum Spital, drei Stunden auf Ergebnis warten, da der Test in ein Labor gesandt werden musste. Am Abend verabschiedete ich mich von der Stadt.

Weiterreise nach Hamburg – Dänemark unter https://www.travel-memories.ch/2021-hamburg/


In Deutschland gelten die 3Gs (Eintritt nur für Geimpfte, Genesene und Getestete). So liessen wir uns alle 24 Stunden testen. Kein Problem, Zentren gibt es vielerorts, der Antigen-Schnelltest ist gratis bis im Oktober 2021.

Streik der Lokomotivführer vom 2. bis 7.9., die S-Bahnen fuhren seltener.